„Wir mussten immer wieder von vorne anfangen“ – 80 Jahre MÜHLE
Herr Müller, dieses Jahr feiert MÜHLE 80-jähriges Jubiläum. Wie ist es für Sie heute ins Unternehmen zu kommen?
Hans-Jürgen Müller (HJM): Ich bin nicht der Typ für Pathos. Trotzdem ist es immer wieder toll zu sehen, was aus dem kleinen Unternehmen geworden ist, das mein Vater 1945 in Waschküche des Wohnhauses gegründet hat. Andererseits denke ich oft an die schwierigen Anfänge und Herausforderungen, die wir bewältigen mussten. Besonders die Zeit nach dem Krieg und die DDR-Jahre waren hart.
Erzählen Sie uns von den Anfängen?
HJM: Mein Vater, Otto Johannes Müller, war ein Pionier. 1945 gründete er MÜHLE im Erzgebirge, einer Region mit langer Tradition in der Bürsten- und Pinselherstellung. Ich war damals drei Jahre alt. Die Anfänge erlebte ich nur am Rande mit. Eines der prägendsten Ereignisse war sicherlich der Brand im Jahr 1949, vier Jahre nach Gründung, der das erste Gebäude komplett zerstörte. Ich versuchte, mit einer Milchkanne Wasser zu holen, um die Flammen zu löschen. Natürlich aussichtslos.
Wie hat Ihr Vater danach weitergemacht?
HJM: Meine Eltern überlegten: Fangen wir wirklich wieder an? Sie hatten 15 Mitarbeitende, alle wollten mit anpacken. Trotz der Verluste begannen sie nach wenigen Wochen mit dem Wiederaufbau in einem Haus, das zuvor von einer Textilfirma genutzt worden war.



Mitte der 50er-Jahre herrschte Aufbruchstimmung bei MÜHLE: Das Unternehmen spezialisierte sich auf Rasierpinsel, exportierte in 30 Länder in Europa, auch in den Nahen Osten, und Otto Johannes erwies sich als begnadeter Geschäftsmann. Vom politischen System der DDR war dieser Erfolg eher unerwünscht.
HJM: Das waren schwierige Zeiten, ja. Auf der einen Seite wurde alles gebraucht, vieles war zerstört, es gab nichts. Auf der anderen Seite beobachtete der Staat die privaten Unternehmen sehr argwöhnisch. 1953, vor den Aufständen am 17. Juni, kulminierte das. Die Daumenschrauben wurden immer enger angezogen, wir bekamen teilweise kein Material mehr, mussten Leute entlassen. Mit dem 17. Juni haben sie die Linie dann etwas gelockert, so dass wir wieder atmen konnten.
Wie war das für Otto Johannes? Einerseits zu merken: Ich habe ein Händchen fürs Geschäft und gleichzeitig die Dinge nicht wirklich vorantreiben zu dürfen?
Andreas Müller (AM): Ich habe meinen Großvater nie kennengelernt, aber durch die Erzählungen von Verwandten und Leuten aus dem Ort ist er für mich lebendig geworden: Das war keiner, der das Schicksal über sich ergehen ließ, sondern einer, der die Dinge aktiv gelenkt hat.
HJM: Er war ein Unternehmer durch und durch. Schon während seiner Jugendzeit soll er mit allen möglichen Dingen gehandelt haben. Er hat immer Lücken für sein Tun gefunden. Der Absatz war ja kein Problem. Man wurde alles los, was produziert wurde.
Er starb 1965 an einem Herzinfarkt im Alter von 51 Jahren, Sie waren gerade mal 23 Jahre alt. War Ihnen sofort klar, dass Sie jetzt ran müssen?
HJM: Ich hatte eigentlich andere Pläne, wollte noch andere Erfahrungen in anderen Unternehmen sammeln, hatte bereits einen Vorvertrag. Als er dann plötzlich starb, wusste ich direkt, dass ich diesen Rucksack nun aufhuckeln muss, wie man im Erzgebirge sagt. Die meisten Mitarbeitenden kannte ich aus meiner Kindheit. Es gab enge Beziehungen zu vielen, Verwandte haben für uns gearbeitet. 1967, zwei Jahre später, hatte ich dann Energie und Mut gefasst und wusste, es muss weitergehen. Ich entschied mich, neu zu bauen. Unsere Produktion war bis dahin wie eine Wohnstube, es hatte zweimal gebrannt, darüber wohnten zwei Familien, alles war sehr beengt.
Christian Müller (CM): Und wie war das für Dich, im Unternehmen anzukommen – wurdest du von der Belegschaft akzeptiert?
HJM: Wenn du als 23-jähriger Jungspund plötzlich Ansagen machen musst, ist das nicht einfach. Es gab Widerstände. Ich musste mir erstmal Respekt verschaffen. Und wenn ich von meiner Geschichte erzähle, muss ich auch davon erzählen, dass ich mich mit dem Bauvorhaben übernommen habe. Ich hatte ein Burn-out – das nannte man damals nicht so – und war fast ein Jahr außer Gefecht. Ein Verwandter und einige Mitarbeiter haben mich in der Zeit sehr unterstützt und sich eingesetzt, dass es weitergeht. Doch ich musste anschließend einiges ändern. Ich war nicht mehr so leistungsfähig, musste auf meine Gesundheit achten. Ich hätte damals nie gedacht, dass ich mal so alt werde. Es hatte aber auch alles etwas für sich: Wenn man die Dinge langsam angeht, sie überdenkt und auf seine innere Stimme hört, fällt man die besseren Entscheidungen.



1972 machte die DDR ernst und der Betrieb wurde enteignet.
HJM: Die DDR war auf dem Weg zum Kommunismus. Alles gehörte dem Staat, auch die Bebauung. Uns wurde dann mitgeteilt: Das erklärte Ziel der Regierung der DDR ist es, den Kommunismus auszubauen und alle anderen Zustände sind Übergangsformen. Um die ideologische Linie beizubehalten, muss man also auch unser Unternehmen verstaatlichen. Man setzte uns unter Druck, unsere Anteile zu verkaufen. Und die Preise wurden vom Staat festgelegt.
Wie haben Sie die Zeit der Übergabe in Erinnerung?
HJM: Das war ein Zwangsverkauf. Wer sich nicht fügte, wurde noch mit ganz anderen Mitteln unter Druck gesetzt. Ich habe damals, nachdem wir zum sogenannten Rat des Kreises bestellt wurden, um Aufschub gebeten, wir wollten noch verschiedene Dinge im Zusammenhang mit dem Neubau abschließen. Doch das wurde nicht akzeptiert. Heute frage ich mich immer wieder, ob ich da genug Rückgrat gezeigt habe. Durch den Neubau haben wir den Wert der Firma ja erheblich gesteigert, haben da viele private Mittel reingesteckt, und – wie ja zuvor beschrieben – sehr viel Energie. Das alles ist dann auf einen unteilbaren Fonds gebucht worden, den der Staat komplett kassiert hat. Alles, was wir an Werten geschaffen hatten, war weg.
Wie ging es Ihnen?
HJM: Ich habe in der Zeit meine Frau kennengelernt – das war für mich daher auch eine sehr schöne Zeit. Christian kam zur Welt, Familie ist entstanden. Auch mein Glaube hat mir in den Wechselfällen des Lebens immer wieder Halt und Zuversicht gegeben. Mir half das, alles zu überstehen. Ich war dann als Betriebsleiter hier tätig, allerdings unter dem Namen VEB. Wir haben immer spöttisch gesagt: VEB – was heißt das? Vaters ehemaliger Betrieb!
Wie war es im VEB – im Volkseigenen Betrieb – zu arbeiten? Kamen Sie damit zurecht, oder wäre es eigentlich angenehmer gewesen, etwas ganz anderes zu tun?
HJM: Die Frage habe ich mir gestellt. 1976 wurde unsere mit fünf weiteren Firmen zusammengelegt – ich fühlte mich nicht mehr wohl. Ich versuchte anderswo einzusteigen, doch zu DDR Zeiten war das nicht einfach. 1986 konnte ich den Schritt dann gehen und mich bei der Bürstenmacher Genossenschaft Stützengrün selbständig machen mit der Fertigung von Flaschenbürsten in Handarbeit. Christian hat damals bereits mitgewirkt, meine Frau auch. Zu Hause in unserer Garage baute ich mir ein paar Maschinen zusammen und arbeitete dort als Handwerker. Das war eigentlich eine schöne Zeit.


Da setzen auch Eure Erinnerungen ein: Andreas, Christian. Welchen Bezug hattet Ihr zu dem ehemaligen und dem neuen Betrieb Eures Vaters?
CM: Die Enteignung haben wir nicht mitbekommen, aber ich erinnere mich an die Zeit, als mein Vater in seinem ehemaligen Betrieb als Leiter tätig war. Vor allem sind mir die Gerüche noch in der Nase. Einmal vom Kleber, der verwendet wurde, aber auch vom Naphthalin, mit dem die Borsten behandelt wurden, damit sie auf dem Seeweg von Asien hierher nicht von Motten befallen wurden. Jeder Mitarbeitende, der im Betrieb arbeitete, nahm irgendwann diesen Geruch an. Das roch nicht schlecht, aber es war eben sehr speziell. Das Gute: Wir hatten zuhause niemals Motten!
AM: Ich ging nicht gerne in den Kindergarten und landete deswegen morgens oft hier. Für mich war das ambivalent: Einerseits wussten wir, das war mal die Firma der Familie, und jetzt ist sie das nicht mehr, und andererseits gab es von einigen Mitarbeitern dort die Wahrnehmung, dass sie es doch noch irgendwie sei. Als er sich dann erneut selbstständig machte, empfand ich das als Aufbruch. Er strahlte Energie aus, baute die Maschinen neu und vieles um, damit die kleine Fertigung eingerichtet werden konnte – das fand ich spannend und bin dann oft mit, wenn er Material zu Heimarbeitern brachte.. Er hatte Verantwortung. In meiner Kindheit – die 1980er in der DDR – passierte ja eigentlich nichts. Das war dann aufregend, weil plötzlich so viel los war.
Und dann kam 1989 die Wende.
AM: Mmmmhhh.
Ist das ein Seufzen?
AM: Nein, wir haben die Wende ja alle ersehnt. Auch schon Opa Johannes, der sie jährlich erwartete – jedes Jahr zu Silvester soll er gesagt haben: Dieses Jahr kommt die Einheit!
HJM: Der Wunsch nach der Einheit war ja auf beiden Seiten da. Wir haben viel Westradio gehört. Über UKW konnte man verschiedene Sender wie RIAS empfangen. Am Jahresende sprach Adenauer seine Neujahrsbotschaft, da hieß es immer: “Bürger in der Zone, haltet durch! Nächstes Jahr kommt die Einheit!” Wir waren ja öfter nah dran. Stalin hatte ja vorgeschlagen, der Vereinigung der verschiedenen Besatzungszonen zuzustimmen, wenn Deutschland in kein westliches Militärbündnis eintritt. Davon war schon 1953 die Rede. Doch Adenauer lehnte ab. Damals ist die europäische Verteidigungsgemeinschaft entstanden, Vorläufer der NATO. Adenauer orientierte sich westlich und damit platzte der Traum der Einheit. Natürlich weiß niemand, ob Stalin sein Versprechen wahr gemacht hätte.
Dann kam sie irgendwann doch und Ihr Betrieb ging zurück an Sie.
HJM: Ich sah das skeptisch. Wir hatten ja nur beschränkte Entwicklungsmöglichkeiten. Von den ausländischen Kunden wurden wir immer ferngehalten. Und uns war auch bekannt, dass die Industrie sich im westlichen Teil marktwirtschaftlich orientiert und damit eine ganz andere Hausnummer ist als bei uns. Es war dann ja auch so, dass wir ein paar Jahre lang wirklich ums Überleben kämpften.


Wie überlebte das Unternehmen?
HJM: Indem wir immer wieder auf Menschen trafen, die uns unterstützten. Wir mussten unser ganzes Programm neu aufstellen. Was wir in die DDR geliefert hatten, war nicht mehr konkurrenzfähig, wir mussten neue Artikel entwickeln, uns Lieferanten suchen, und – noch schwieriger – Abnehmer für unsere Artikel finden. Und drüben war die Konkurrenz auch in der Rasierpinselproduktion sehr stark.
CM: Rasierpinsel spielten keine große Rolle. Das waren Gebrauchsartikel, keine Lifestyle- oder Luxusartikel, wie sie es heute sind. Insofern war es nicht nur die Konkurrenz aus den alten Bundesländern, die uns das Fußfassen erschwerte, sondern auch die Tatsache, dass wir Dinge von einfachem Nutzwert herstellten.
AM: Dann entstanden aber gerade die ersten Unternehmen, die versuchten, das weiter zu denken – etwas Schönes draus zu machen. Doch neben der etablierten Konkurrenz aus Westdeutschland gab es natürlich auch Hersteller aus dem anderen europäischen Ausland wie Frankreich oder Italien.
Stand inzwischen außer Frage, dass sie trotz aller Widerstände weitermachen würden. Oder haben Sie gezögert?
HJM: Und ob ich gezögert habe! Ich wollte das Gebäude vermieten – war mit unterschiedlichen Interessenten im Gespräch, unter anderem einem Möbelhaus und einem technischen Labor, doch nichts ging auf. Wir mussten zwangsläufig auf unserer Strecke weitermachen.
Gott sei Dank!
HJM: Das war eine schwere Entscheidung. Ich war 48 – ging auf die 50 zu. Ich wusste, dass es schwierig für mich werden würde, an anderer Stelle einen Platz zu finden. Es brachen damals massenhaft Arbeitsplätze weg, ich kenne viele, die nach der Wende keinen Fuß mehr in die Tür gekriegt haben, weil ihre Berufe nicht mehr gefragt waren. Meine Frau und ich beschlossen, es anzupacken. Ich hatte das Glück, dass mein Bruder Christoph einen Baumarkt gegründet hatte, der gut lief. Er konnte mich dann bei den Heiz- und Fixkosten finanziell unterstützen – sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht gepackt.
Wie ging es weiter?
HJM: Schmerzlich war vor allem, dass wir so viele Leute entlassen mussten. Mitarbeiter, die ich schon als Kind kannte, die teilweise Jahrzehnte in der Firma waren. Irgendwann bat ich meinen Bruder Christoph, mit ihnen zu sprechen, weil ich’s nicht schaffte. Einige konnten in den Vorruhestand gehen, der damals von der Bundesrepublik verabschiedet wurde, einige übernahm mein Bruder in seinem Baumarkt, bei einigen gelang es uns, sie bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Gemeinde unterzubringen. So konnte ich weiterhin durchs Dorf laufen, ohne mit faulen Eiern beschmissen zu werden. Und dann entwickelte es sich ja glücklicherweise so, dass ich Stück für Stück viele wieder einstellen konnte. Das war eine extrem gute Sache für mich.


Blicken wir auf die folgenden Jahre bis zur Übernahme der Geschäftsführung durch Ihre Söhne 2007: Wie gelang es Ihnen, aus diesem ums Überleben kämpfenden Betrieb das lukrative Unternehmen MÜHLE Rasurkultur zu entwickeln?
HJM: Wir waren am Anfang nur zu viert. Ich war ganz klar und sagte: Wenn wir das schaffen wollen, dann nur mit sehr guter Qualität und indem wir auf die Tradition der Familie und der Region setzen. Und dann meinten es einige Leute sehr gut mit mir – auf Lieferantenseite, aber auch auf Vertreterseite. 1995 bekamen wir die ersten größeren Aufträge, und von da anging’s sukzessive aufwärts.
HJM: Gleichzeitig wusste ich, was ich da tat. Ich musste ja schon in jungen Jahren selbstständig arbeiten, Entscheidungen fällen und ein Gespür für finanzielle Dinge entwickeln. Viele gründeten nach der Wende ganz euphorisch Firmen, brachten aber keine kaufmännischen Voraussetzungen mit und übernahmen sich.
AM: Du wusstest, mit sehr spitzer Feder zu rechnen und die Kosten gering zu halten. Es gab nur wenig Umsatz und die Margen waren nicht prickelnd. Dann hast du mit deinem Wissen eine sehr effiziente Produktion aufgebaut. Das waren wichtige Voraussetzungen, die unglaublich geholfen haben.
Wann habt Ihr angefangen, die Marke MÜHLE aufzubauen, so wie wir sie heute kennen?
AM: Die Wichtigkeit der Marke hat unser Vater früh erkannt. Ich erinnere mich an seinen Satz: Wir sind ersetzbar und müssen mehr Wert auf die Marke legen. Ohne dass er damals einen konkreten Plan hatte, wie das aussehen könnte. Als Christian und ich übernahmen, begriffen wir schnell, dass wir mit der traditionellen Marke und der Geschichte, auch der DDR-Geschichte, ein Juwel vor uns hatten. Offiziell hat es die Marke ja immer gegeben, deswegen werden wir jetzt 80 Jahre alt. Wir brauchten eine klare Positionierung im Markt, wir wussten, dass sie nicht für das gesamte Portfolio stehen kann. Gemeinsam mit einem breiten Netzwerk an Externen, das uns in Teilen noch heute begleitet, haben wir eine Strategie entwickelt, wie wir die Marke konsequenter führen und leben.
HJM: Ich muss das Kompliment machen, dass die Jungs die Marke richtig aufgerollt haben. Ich habe vieles aus dem Gefühl heraus gemacht. Sie haben sich reingekniet.
AM: Andere haben damals mehr Potential in der Marke gesehen als wir selbst. Wir hatten diesen Blick von außen ja nicht, sondern steckten tief im Tagesgeschäft. Andere sagten uns dann: Hey, das, was ihr da macht, ist etwas ganz Besonderes. Rasierpinsel von Hand. Lasst uns da andocken.
Schon die Werbebotschaften und -drucke, die unser Großvater gemacht hat, waren Marke. Er hatte ein sehr gutes Bauchgefühl und eine klare Vision. Es galt, diesen Faden wieder aufzunehmen. Nachdem die ganzen politischen Hürden genommen waren, das Überleben der Firma gesichert, nach dem Mauerfall, der Re-Privatisierung, als es betriebswirtschaftlich besser lief und wir Budgets in die Hand nehmen konnten, um zu investieren, fingen wir an, die Marke weiterzuentwickeln.
Für viele Familienunternehmen eine riesige Hürde: Wie lief bei Ihnen der Generationswechsel?
HJM: Christian war ja schon ab 1989 mit dabei. Er machte die Ausbildung und war mit einer Unterbrechung hier durchweg an Bord. Und 2007 als ich 65 Jahre alt wurde …
CM: … warst du auch nicht von heute auf morgen weg, sondern wir haben das sehr organisch gemacht. Du warst noch lange involviert, wir hatten viele Fragen, brauchten oft Hilfe.
AM: Das Loslassen war nie ein Problem. Er sagte immer: Macht. Ihr könnt das. Ich erinnere mich noch an meine erste Woche im Unternehmen und mein Vater sagte: Es steht ein Jahresgespräch mit einem unserer größten Kunden an, mach du das. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt, ich hatte ja keine Ahnung von Artikelnummern, Preisen, Konditionen. Aber es gab dieses Vertrauen in uns – das habe ich immer gespürt. Auch als ich mit 18 meinen Führerschein gemacht habe und er sagte: Hier, nimm mein neues Auto und hol die Sachen dort ab. Er hat uns immer viel zugetraut, das hat uns natürlich gestärkt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von MÜHLE?
HJM: Die Entwicklung in den letzten zwei Jahrzehnten hätte ich mir in puncto Kollektion und Wachstum nie erträumen lassen. Ich denke, es wird nicht ganz einfach dieses Tempo der letzten Jahre weiter zu führen.
AM: Du hast ja mal gesagt, wenn wir unsere Arbeit gut machen, und darunter verstehe ich gute Produkte, gutes Marketing, guten Vertrieb, gut mit den Partnern umgehen, dann wird die Marke weiter wachsen. So sehe ich das auch. Natürlich gibt es Zeiten, in denen es wirtschaftlich schwieriger ist. Und wahrscheinlich ist das gerade so eine Zeit. Doch wenn es uns gelingt, MÜHLE klug weiterzuentwickeln, wird es dem Unternehmen gut gehen. Immer mehr Wachstum ist gar nicht unser Anspruch. Wir werden uns bemühen, weiterhin gute Produkte zu machen. Und dann muss man sehen, was passiert.
HJM: Ich denke, für uns Unternehmer ist es ganz, ganz wichtig, dass sie den Mitarbeitenden das Gefühl geben, hier ein Stück zu Hause zu sein. Und das kommt halt auch, indem man versucht, ehrlich und aufrichtig zu sein. Das sind große Werte, die sich nicht immer durchhalten lassen. Aber der Versuch ist es jeden Tag aufs Neue wert.