Groß, kräftig, mit rauer Stimme und jeder Menge Humor: Der gebürtige Berliner Daniel Zillmann ist einer der ausdrucksstärksten Schauspieler seiner Generation. Ein Gespräch über Schönheit und Körpervolumen, Narzissmus und Vorbilder.

„Bauch aus, Kopf an“

Wir möchten heute mit Ihnen über Schönheit sprechen. Wann finden Sie sich selbst schön?

Ich stand gestern vorm Spiegel im Hotel und dachte: Oh, bist du schön! Das klingt etwas schräg, aber ich muss mir für meine aktuelle Rolle einen Vollbart wachsen lassen – normalerweise trage ich einen 3-Tage-Bart – und fühle mich so unrasiert eigentlich unfassbar scheußlich. Doch gestern dachte ich: Irgendwie siehst du gerade gut aus, trotz Dreh bist du erholt und glücklich.

Wann sind Menschen für Sie schön?

Wenn sie mit sich im Reinen sind und ausstrahlen, dass sie sich selbst verstanden haben, sich so hinnehmen, wie sie sind, ohne sich aufzugeben. Selbstakzeptanz gepaart mit gutem Geschmack macht Menschen für mich schön.

Wie wichtig ist es für den Beruf eines Schauspielers, sich selbst schön zu finden?

Ein leichter Hang zum Narzissmus ist nicht schlecht, um überhaupt auf die Bühne oder vor die Kamera treten zu können. Anderen ist ja genau das unbegreiflich: Warum machen diese Menschen das, was ich mich niemals trauen würde? Egal wie sehr wir Schauspieler*innen mit uns im Reinen sind oder nicht, unsere Berufswahl hat ja immer etwas damit zu tun, dass wir gesehen werden wollen. Und das bedeutet: Andere urteilen über uns. Und da wird natürlich auch immer viel auf unser Aussehen projiziert. 

Was bedeutet das für Sie – als großer, dicker Typ?

Am Anfang meiner Karriere merkte ich schnell, dass es bei allen Anfragen immer um meinen Körper ging. Und um Klischees: der Dicke muss auch lustig sein. Nun bin ich dick und lustig, das ist keine Rolle, in die ich schlüpfen muss. Also habe ich angefangen, gegen diese Erwartungen anzukämpfen und sie zu durchbrechen. Frank Castorf hat mir später mal gesagt, ich hätte so eine angeborene Chuzpe. Eine ganz eigene Frechheit. Ich würde die Dinge einfach durchziehen, Gehirn aus, Bauch an. Das war mir vorher nie aufgefallen, aber es stimmt. Das hat mir geholfen.

Sie selbst tragen gerne auffällige, bunte Kleidung, die von diesem starken Selbstbewusstsein zeugt. Mussten Sie sich dieses erarbeiten oder sind Sie so auf die Welt gekommen?

Ich bin mit einer gewissen Exzentrik geboren. Zur Einschulung hatte ich von Natur aus weißblondes Haar und sagte zu meiner Mutter, ich wolle blaue Koteletten dazu tragen. Es waren die 80er, Koteletten sah man überall – und so bin ich mit blau angemalten Schläfen zur Schule. 

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Als geerdet-exzentrisch mit viel Mut zur Farbe. Ich brauche ständig neue Ideen für das, was ich anziehe. Von Zeit zu Zeit komme ich aber auch immer wieder auf sehr klassische Stücke wie taillierte Hosen zurück, oder Tank Tops und Sneaker. Mal mag ich es verspielter, mal klassischer. Das wechselt und das seit meiner frühen Kindheit. 

Stimme, Stil, Körpervolumen: Daniel Zillmann hat eine enorme Präsenz. Seinen Stil beschreibt er als „geerdet-exzentrisch mit viel Mut zur Farbe“.

Viele Menschen Ihrer Körpergröße verstecken sich hinter unauffälliger Kleidung. Sie tun das Gegenteil. Mit Ihrer Stimme, Ihrem Stil, Ihrer Größe haben Sie eine enorme Präsenz. Stehen Sie hier für ein neues Selbstverständnis? 

Das hoffe ich. Und ich glaube auch, dass das mittlerweile zutrifft. Ich war jedoch nie ein Aktivist. Mir hat der Beruf geholfen, weil ich immer wieder an Grenzen gestoßen bin. Und ich wollte dagegen ankämpfen. Wenn jemand sagte, die Rolle könne man nicht spielen, wenn man so aussieht wie ich, sagte ich immer: Ja, warum denn nicht? Im Alltag gibt’s genau solche Typen mit genau meiner Körpergröße doch auch. Das mag schrecklich eitel klingen, aber mir haben schon einige – gerade junge Schauspieler*innen – attestiert, ich hätte hier Pionierarbeit geleistet. 

Hatten Sie selbst solche Vorbilder?

Nie. Als ich anfing, spielten die Dicken immer die älteren Männer in Machtpositionen oder wurden als Kommissare besetzt. Frauen in meiner Gewichtsklasse hatten und haben es noch heute viel schwerer. Hochgewichtige Männer gelten gern als mächtig und sexy. Aber wenn ich es überspitzt betrachte, war ich nicht klassisch-maskulin genug für diese Rollen. Mir sagte man: Du hast so eine extra Nische. Das wird für dich Bonus und Hindernis zugleich sein. Ich beschloss: Ich will einfach vorkommen. 

Inwiefern hat sich die Landschaft von Film und Fernsehen denn verändert für andere Charaktere, seit Sie angetreten sind?

Es gibt viele Kolleg*innen, die sehr ungeduldig mit dem Mainstream sind – und das ist auch richtig: es muss sich noch mehr ändern. Aber in puncto Hautfarbe, Herkunft, Sexualität, Identifikation hat sich enorm viel getan in den letzten 23 Jahren, seit ich angefangen habe. Damals fand man sich schon divers, wenn eine Person mit türkischem Hintergrund im Ensemble vertreten war. Das ist heute anders. 

Wenn ich richtig recherchiert habe, tragen Sie seit vier Jahren Bart. Was macht Bart mit Ihnen?

Ich liebe Bart, es mag unprofessionell sein – aber ich kämpfe bei jeder Rolle, dass ich ihn behalten kann. Es kam mit der Coronazeit, ich war unrasiert und schaute eines Tages in den Spiegel und begriff: Ich bekomme eine Jawline – eine Kieferlinie! Zusammen mit meiner Frisur und meinen Koteletten bildet der Bart einen wunderbaren Rahmen für mein Gesicht. Und jedes Mal, wenn ich ihn doch abrasieren muss, gucke ich in den Spiegel und denke: Ja, du magst jetzt sieben Jahre jünger  aussehen, aber es fehlt der Shape.

Ist Körperpflege für Sie eher Genuss oder Pflicht?

Beides. Ich muss es regelmäßig machen, aber darf es auch nicht übertreiben, sonst streikt meine Haut. Ich habe mehrere Produkte, die ich mir in einer bestimmten Reihenfolge jeden Morgen ins Gesicht schmiere und hintereinander auftrage – darunter ein 120h Liquid Hydrator und ein Slow Aging Serum, beide von Nø Cosmetics. Die verpassen mir einen fantastischen Glow. 

Wie ist der Duft zu diesem Glow?

Erdig. Ich als Steinbock brauche das. Ich dufte nach Loewe Earth. 

Dieses Interview ist zuerst in der gedruckten Ausgabe von 30 Grad erschienen im Herbst 2024. Das Magazin ist hier kostenfrei zu abonnieren.