„Als Designer habe ich den Menschen im Blick“
Als Absolvent des Londoner Central Saint Martins Colleges hat Huy-Thong Tran-Mai Kollektionen für Modehäuser wie Maison Martin Margiela und Strenesse entworfen und sich als Inneneinrichter und Gastronom mit vegetarischen Restaurants in Berlin, wie dem Ryong und Oukan Dining, einen Namen gemacht. All das hat auch seine Auffassung von Schönheit geformt.
Wie hat Ihre Arbeit Ihren Blick auf Schönheit geprägt?
Als Designer habe ich den Menschen in seiner Umgebung im Blick, weil ich mit dem Raum arbeite: Der Mensch steht immer im Zusammenhang, mit dem Licht, mit den Farben, mit den Formen der Umgebung. Durch meine Arbeit mit ästhetischen Konzepten sehe ich Schönheit viel stärker in der Art und Weise, wie jemand mit der Umgebung interagiert.
Wie drückt sich das für Sie im Look aus?
Je stärker man auf das Gesamtbild blickt, desto mehr rückt das Auftreten des Einzelnen in den Hintergrund. Für mich bedeutet das, dass ich natürliche Looks schöner finde, dass ich gedeckte Farben sowohl beim Outfit als auch beim Make-up angenehmer finde als auffällige Highlighter. Der Look hat aber auch damit zu tun, wie sich Menschen bewegen, ob sie in einen Raum kommen und sofort in den Vordergrund rücken oder Rücksicht auf die Umgebung nehmen.
Männliche Schönheitsideale verändern sich aktuell – wie nehmen Sie diesen Wandel wahr?
In den vergangenen Jahren hat sich sehr viel getan. Was männliche Schönheit bedeutet, ist diverser geworden und wird nicht mehr nur durch heteronormative Standards definiert. Wenn man zum Beispiel auf Instagram schaut, dann sieht man Männer mit Make Up, mit Schmuck oder in Kleidern. Es sind nicht mehr die „klassisch männlichen“ Typen mit Bart und Muskeln, sondern auch Männer mit feineren Zügen, die sich modisch ausleben, auch mal mit Dingen kokettieren, die bisher als weiblich gesehen wurden und sich gewagte Farben und Schnitte trauen. Das begrüße ich sehr. Auf der anderen Seite ist aber auch der Druck, zu gefallen, gewachsen. Damit muss man behutsam umgehen.
Wenn wir gerade von Druck sprechen, wie wichtig ist innere Ausgeglichenheit für die Schönheit?
Wir Menschen sind sehr leicht zu manipulieren und je mehr man einen inneren Anker hat, desto mehr hilft es, die Umwelt wahrzunehmen und mit dem Alltag umzugehen. Das hat für mich gar nicht in erster Linie etwas mit Schönheit selbst zu tun, aber es hat natürlich eine gewisse Attraktivität, wenn man sich wohlfühlt und sicher im Umgang mit der Welt ist.
Was tun Sie dafür?
Ich bin mit der buddhistischen Gemeinde um den Zen-Meister Thích Nhat Hanh aufgewachsen und versuche immer noch jedes Jahr Zeit im Kloster von Plum Village zu verbringen und zu meditieren. Das hilft mir im Alltag, weil ich mit aus diesem Erfahrungsschatz schöpfen kann.
Gibt es Rituale, auf die Sie sich immer wieder zurückbesinnen?
Für meine Arbeit bin ich viel unterwegs. Ich schaffe es nicht, jeden Tag zu meditieren, aber jedes Mal, wenn ich ins Auto steige, nehme ich mir kurz Zeit, um innezuhalten. Das kann einfach eine kurze Atemübung sein. Das hilft, um auch an hektischen Tagen die Balance wiederzufinden.
Welche Rolle spielt für Sie als Gastronom die Ernährung?
Seit der Kindheit esse ich vegetarisch und versuche auf Milchprodukte und Zucker zu verzichten. Als Vegetarier isst man zwangsläufig saisonal und oft regional, das ist der Gesundheit zuträglich. Zudem versuchen mein Partner und ich im Sommer viel im Garten selbst anzubauen. Zu unserem morgendlichen Ritual gehört ein Kaffee, den Rest des Tages trinken wir Tee.
Wie sieht es mit den Beauty-Ritualen aus?
Ich belasse es bei einer einfachen Routine mit Reinigung und einer Feuchtigkeitspflege morgens und abends und Sonnenschutz am Tag. Als asiatischer Mann ist meine Bartpflege nicht sonderlich zeitintensiv: Weil ich ohnehin wenig Bartwuchs habe, reicht das regelmäßige Trimmen.
Dieser Beitrag ist zuerst im Herbst 2022 in der gedruckten Ausgabe von 30 Grad erschienen.