Sie kann Machtverhältnisse auf den Punkt bringen, das Erwachsenwerden symbolisieren oder gar den Abschied vom Leben: Während die Rasur im Alltag der meisten Männer beiläufig erledigt wird, taugt sie im Kino für ikonische Szenen. Ein Best Of.

Schaumtime

High Plains Drifter, Clint Eastwood, 1973

Clint Eastwood ist als geheimnisvoller „Fremder ohne Namen“ trotz Schaums im Gesicht keinesfalls wehrlos. Schon als er den Laden betritt, wortkarg nach „Shave and a hot bath“ fragt, ahnt der Zuschauer, was kommen wird. Ohne mit der Wimper zu zucken, erledigt er nur Sekunden später die drei Revolvermänner, die seine Rasur stören, wischt sich den Schaum aus dem Gesicht und geht. Unrasiert.

James Bond: Skyfall, Sam Mendes, 2012

Es ist die vielleicht intimste Rasurszene der Filmgeschichte. Zweifellos ist sie eine der stilvollsten: James Bond (Daniel Craig) überlässt sich ganz Eve Moneypenny (Naomie Harris) als er ihr sein Rasiermesser reicht und sie ihn damit sanft und souverän rasiert. Während sie das Messer sanft über Bonds Haut gleiten lässt, flüstert sie ihm zu: „Sometimes the old ways are the best.“ Die Szene löste einen regelrechten Hype aus: Laut dem britischen Online-Shop „The Shaving Shack“ schnellten die Verkäufe von Rasiermessern nach Filmstart um unglaubliche 405 Prozent nach oben. Suchanfragen im Internet nach „cut throat razor“ und „straight razor“ stiegen sogar um satte 735 Prozent. Das klassische Ritual wurde zum populären Lifestyle-Trend – ganz nach Bonds legendärem Geschmack.

The Royal Tenenbaums, Wes Anderson, 2001

Begleitet von Elliot Smiths Song „Needle in the Hay“ steht Richie Tenenbaum (Luke Wilson) vorm Spiegel, stutzt sich erst sorgfältig Haare und Bart, seift sich dann ein, rasiert sich, um sich anschließend die Pulsadern aufzuschneiden. Das Rasurritual wird zum melancholischen Abschied von der Welt und ihren alltäglichen Gewohnheiten.

Steve Martin als Rigby Reardon in „Tote tragen keine Karos“ – Pictorial Press Ltd / Alamy Stock Foto

Dead Men Don’t Wear Plaid, Carl Reiner, 1982

Die wohl absurdeste Rasurszene der Filmgeschichte hat Steve Martin als Privatdetektiv Rigby Reardon in der Film-Noir-Parodie „Tote tragen keine Karos“, als er sich zur Vorbereitung eines romantischen Dates die Zunge rasiert. Das Zitat ist legendär: „Kommen Sie, wir gehen jetzt tanzen! Sie holen sich Ihr kleines Schwarzes und ich rasiere mir die Zunge.“

The Untouchables, Brian de Palma, 1987

Obwohl er ein Tuch auf den Augen und ein Messer am Hals hat, steht keinen Moment in Zweifel, von wem hier die Gefahr ausgeht. In „Die Unbestechlichen“ gibt Al Capone, großartig verkörpert von Robert de Niro, während er sich rasieren lässt, Journalisten ein Interview. Als der Barbier ihn aus Versehen schneidet, erstarren alle vor Schreck. Und de Niro sagt den berühmten Satz: „Man kommt viel weiter mit einem freundlichen Wort und einer Pistole, als mit einem freundlichen Wort alleine.“

Johnny Depp als der teuflische Barbier in Sweeney Todd – Credit: Cinematic / Alamy Stock Foto

Sweeney Todd, Tim Burton, 2007

Wenn es blutig wird, ist das Rasiermesser nicht weit: Sehr viel Blut fließt in dem schrägen Musical, in dem Johnny Depp den „teuflischen Barbier“ aus der Fleet Street spielt, der seine Kunden in Serie ermordet und zu Pasteten verarbeitet, weil er sich von der Welt ungerecht behandelt fühlt.

The Color Purple, Steven Spielberg, 1985

Der Film „Die Farbe Lila“ erzählt die Geschichte von Celia (Whoopie Goldberg), einer jungen schwarzen Frau, die von ihrem Vater an einen Farmer verkauft wird, der sie brutal misshandelt. Die Szene, in der sie ihren Mann „Mister“ rasieren muss, wird zum Sinnbild für ihre Entwicklung. Während der Prozedur, die sie mit zitternden Händen beginnt, scheint ihr Selbstbewusstsein zu wachsen und ihr Entschluss zu reifen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Dustin Hoffmann als Michael Dorsay in Tootsie – Credit: Allstar Picture Library Ltd / Alamy Stock Foto

Tootsie, Sydney Pollack, 1982

Dustin Hoffman spielt den erfolglosen Schauspieler Michael Dorsey, der sich als Frau verkleidet, um eine Rolle zu ergattern – und sie auch bekommt. Eine gute Rasur darf in dem Plot natürlich nicht fehlen. Auch in „Die Reifeprüfung“ von 1967 gibt es eine legendäre Rasurszene. Hoffman spielt Benjamin Braddock, der ein Verhältnis mit Mrs. Robinson, einer Freundin seiner Eltern, beginnt. Die Szene, als er sich im Badezimmer rasiert, seine Mutter herein kommt, ihn fragt, wo er nachts hingeht, verdeutlicht, wo er gerade im Leben steht: an der Schwelle vom Jungen zum erwachsenen Mann.

Diese Geschichte ist zuerst in der gedruckten Ausgabe von 30 Grad erschienen im Frühling 2017. Das Magazin ist hier kostenfrei zu abonnieren.