Die Kult-Espressomaschinen von Olympia sind weltweit beliebt: Nach dem Beinah-Bankrott des traditionsreichen Schweizer Herstellers ist das Unternehmen mit kluger Firmenstrategie auf dem Weg nach oben.

Im Zeichen der Bohne

Beeindruckend erhebt sich hinter dem Fabrikgebäude die Kulisse der Glarner Alpen. Hier, im schweizerischen Schwanden in der Nähe von Zürich, kennt Christian Sagehorn alle Berge beim Namen: Tödi, Groß Ruchen, Vrenelisgärtli. Ob er selbst ein Bergfan ist? „Nö“, antwortet der Geschäftsführer der Firma Olympia knapp. Vielleicht weil er aus dem norddeutschen Wendland stammt, wo die höchste Erhebung 147 Meter misst. Aber Sagehorn ist ja auch nicht der Natur wegen in die Schweiz gezogen, sondern wegen des Kaffees. Genauer gesagt: wegen der Kaffeemaschinen. Und zwar nicht irgendwelchen. „Die beste Kaffeemaschine der Welt“ nannte die New York Times die Cremina 67 aus dem Hause Olympia in den 1970er–Jahren. 

40 Jahre zuvor hatte der Tüftler und Erfinder Luigi Bresaola die Firma im Tessin gegründet. Immer weiter verbesserte er seine Maschinen, zunächst für den Gastronomiebedarf. In den 1960er-Jahren schließlich baute er solche auch für den Privathaushalt – mit Erfolg. Die robuste Zuverlässigkeit, die Kompaktheit und das schlichte Schweizer Design sorgten für große Nachfrage, insbesondere in den USA. Das Unternehmen wuchs auf 100 Mitarbeitende an. In den 1980ern allerdings ging es wirtschaftlich bergab, der Versuch günstiger zu werden und gleichzeitig die Qualität zu halten, misslang. Ende der 1990er waren nur noch eine Handvoll Mitarbeiter übrig. Damals wurde der ehemalige Banker Heinrich Linz auf die Manufaktur aufmerksam, er erkannte das Potenzial und kaufte die Firma. Seinen Schwager Christian Sagehorn machte er zum Geschäftsführer. Hört man diesen heute mit Hingabe und Detailkenntnis über Espresso und dessen Zubereitung sprechen, ist kaum zu glauben, dass er damals Leiter eines Autohauses in Lüchow-Dannenberg war. 

Olympia-Geschäftsführer und Kaffeeliebhaber Christian Sagehorn (re) und Schätti-Metall-Inhaber
Thomas Schätti (li)
Seit 40 Jahren kriegt sie Fanpost: Die Espressomaschine Cremina ist das Aushängeschild von Olympia Express und Schätti Metall

Im Gegensatz zu Christian Sagehorn ist Thomas Schätti, wie schon seine Vorfahren, in Schwanden geboren und aufgewachsen. Er kennt die umliegenden Fabrikgebäude seit seiner Kindheit. Und natürlich die Linth, den Fluss, dem die Region im 19. Jahrhundert ihren Aufschwung zur Industrieregion verdankte – zum Manchester der Schweiz, wie es hier heißt. Zusammen mit seinen zwei Brüdern leitet er die Metallbaufirma Schätti, die sein Großvater 1934 als Installationsbetrieb gründete. Die Eltern bauten die Werkstatt zum industriellen Betrieb aus. Seitdem werden hier Beschläge und Mechanismen für Möbel gefertigt. Die Zukunft sieht Thomas Schätti jedoch anderswo: „Wir wollen mehr und mehr eigene Produkte produzieren.“ Am besten mit gehobenem Designanspruch. 

Demnach war es ein glücklicher Zufall, dass Christian Sagehorn eines Tages im Jahre 2008 bei den Schättis vor der Tür stand, auf der Suche nach einem Zulieferer für Chromstahlteile. Sagehorn wusste damals, dass die Traditionsmanufaktur es wirtschaftlich alleine wahrscheinlich nicht schaffen würde, und da Thomas Schätti auf der Suche nach einem prestigeträchtigen Produkt war, kaufte er Olympia und übernahm die Produktion.

Sanft zieht Christian Sagehorn den Handhebel der Cremina nach oben. So wird eine kleine Menge Wasser in die Kolbenkammer gezogen und fließt in das kurz zuvor in der Moca Mühle gemahlene Kaffeepulver, um es vorquellen zu lassen. Anschließend drückt er den Hebel nach unten. Langsam tropft die ölig braune Flüssigkeit in die dickwandigen Keramiktassen, der würzige Kaffeeduft breitet sich aus. „Es gibt wohl niemanden, der so viele Espressi mit einer Cremina gemacht hat, wie ich“, sagt Sagehorn. „Es heißt, 10.000 Stunden braucht es, um ein Handwerk richtig zu erlernen.“ Wer mit der Handhebelmaschine einen guten Espresso zubereiten möchte, brauche schon eine gewisse Fertigkeit. Wie viel Kaffeepulver nehme ich? 15 oder 16 Gramm? Welchen Mahlgrad? Wie lang muss die Extraktionszeit sein – sprich: wie lange muss der Kaffee durchlaufen, damit er nicht zu viele Bitterstoffe und Säuren freisetzt?

Glänzend-schöner Müll: Altmetall und Drehspäne werden gesammelt, um dann recycelt zu werden

„Das ist wie das Lernen eines Instruments“, sagt er. Und so wie man lernt, einem Instrument die eigene Musik zu entlocken, können Geübte ihren ganz eigenen Kaffee kochen und mit jeder Tasse neu entdecken. „Eine sinnliche Zeremonie“, sagt Sagehorn, der die Kunst der Kaffeezubereitung auch in Barista-Kursen im Showroom in Glarus lehrt. Und bei seinen regelmäßigen Besuchen bei Manufactum, einem der Hauptvertriebspartner von Olympia. Dabei gehe es aber nicht darum „Nerds zu erziehen.“ Sondern eher – wie beim Kochen – um Gefühl. Auch seien die Olympia-Maschinen trotz ihres stolzen Preises von über 3.000 Euro nicht geeignet zum Protzen. Dafür sind sie zu klein, zu schlicht, zu zurückhaltend. „Schweizerisch protestantisch“, findet Schätti. Und darüber, dass die Maschinen so schön kompakt sind – die Maxima, der Espresso-Halbautomat von Olympia, passt auf ein Din-A4-Blatt – freuen sich vor allem die Frauen.

„Unsere Maschine ist eine Maschine, die man haben will, weil man sie sich gerne hinstellt und gerne anschaut, weil sie aus hochwertigen Materialien gefertigt ist und natürlich einen guten Kaffee macht“, sagt Sagehorn. Auch Nachhaltigkeit ist ein Thema. Viele haben die Nase voll von Wegwerfprodukten und Kapselmüllbergen. „Es ist ein Liebhaberprodukt, kein Luxusprodukt“, findet Schätti. Übrigens werden in Italien, der Heimat des Espressos kaum Maschinen für Zuhause gekauft – hier trinkt man seinen caffè eher im Stehen in der Bar seines Vertrauens.

Das typische Olympia-Rot: Nach dem
Mattieren wird die Karosserie der Cremina abgenommen
Geschnittenes Rohmaterial eines Schätti-
Metall-Produkts wird zur Weiterverarbeitung sortiert
Die Cremina gilt als besonders leise arbeitende Handhebel-Espressomaschine

In der Produktionshalle dröhnt, zischt, stampft es. Ein Lasercutter schneidet Bleche zu, die später in Form gebogen werden, eine Maschine spuckt im Sekundentakt fertige Beschläge in einen Korb. „Das ist es, wo wir herkommen“, sagt Schätti. Aber nicht, wo sie hin wollen. Seit 2006 werden Haushaltsgeräte gefertigt, unter anderem Dunstabzugshauben für Elektrolux. Außerdem Designerleuchten. Und dazwischen die Olympia-Kaffeemaschinen. Auf einem Tisch liegen Chromstahlbleche, aus denen das Chassis der Maschinen geformt und dann verschweißt wird. Chromstahl macht die Maschinen so hochwertig. Er sorgt für stabiles Gewicht und eine hohe Wasserqualität, da er verhindert, dass hier Blei- oder Nickelabgaben im Wasser landen. In Rot, Weiß und Schwarz sind die Maschinen erhältlich, eine Jubiläumsausgabe der Cremina vorübergehend auch in Braun. Olympia ist für Schätti mehr als ein Vorzeigeprojekt, das für Ansehen sorgt. Die Kaffeemaschinenexpertise sorgt auch für lukrative Aufträge. So baut ein eigens dafür angeschaffter Digitalroboter Komponenten für einen anderen Schweizer Kaffeemaschinenhersteller – Thermoplan, der gerade alle Filialen einer der weltweit größten Kaffeehausketten mit neuer Technik versorgt. 

Die Felswände vor den Fenstern der Produktionshalle sehen aus wie ein Postkartenmotiv. Ravi, der Schweißer, hat dafür keinen Blick. Schließlich hat er nicht irgendein Werkstück vor sich, sondern ein Stück Schweizer Präzisionsarbeit.

Dieser Artikel ist zuerst in der gedruckten Ausgabe von 30 Grad im Herbst 2017 erschienen.